Es gibt viele interessante Themen die sich im und durch Karate ergeben.
Eines, das mich in letzter Zeit immer häufiger beschäftigt, ist die Bedeutung der drei Aspekte „Stärke, Härte und Konsequenz“.
Aus meiner Sicht ist die Thematisierung und Unterscheidung dieser Aspekte für Menschen, die sich im Karate üben, sehr hilfreich.
Die innere Hürde zum Angriff, die Angst vor dem Kampf und das Sträuben vor Auseinandersetzung machen eine Differenzierung dieser Inhalte notwendig, ohne diese bewerten zu wollen. Keines dieser Aspekte ist das „Bessere“, gemessen an den anderen. Jedes hat seine Berechtigung, Funktion und Aufgabe. Vielmehr geht es um ein Bewusstsein ihrer Wirkung und Zusammenhänge.
Bekanntlich erscheinen Gegenstände unterschiedlich, abhängig von dem Licht, in dem sie stehen.
Ich freue mich, einen Beitrag zu einem neuen Licht leisten zu dürfen.
Härte ist ein innerer Zustand, der dafür sorgt, dass wir mit unserer Umwelt nicht mehr im Einklang sind und demnach die Verbindung zu ihr eingeschränkt wird. Die Wechselwirkung zwischen jedem und allem wird dadurch unterbrochen. Wie in einem Netzwerk ist in der Natur und im Leben alles mit allem Verbunden. Durch Abgrenzung gegenüber der eigenen Umwelt entstehen Lücken innerhalb diesem natürlichen Netzwerk, sodass nicht mehr alle Teilnehmer miteinander in Verbindung stehen.
Härte entsteht durch jedwede Art der Abgrenzung.
Wir Menschen richten unsere Aufmerksamkeit vermehrt auf die Aspekte, die uns von den „Anderen“ trennen, als auf diejenigen, die uns mit ihnen verbinden. Der Mensch definiert sich über den Unterschied zu und nicht über die Gemeinsamkeit mit seinen Mitmenschen. Es ist offenbar ein wichtiger Bestandteil des Lebens, durch betonte Andersartigkeit für Abgrenzung nach außen zu sorgen.
In einer an Leistung orientierten Gesellschaft, ist der Wettbewerb ein wesendlicher Bestandteil und der Sieg das oberste Ziel. Wobei auch der Sieg keine absolute Größe ist, als vielmehr einen Vergleich zu den übrigen Mitstreitern darstellt. Die Grundlage hierzu bildet ein „Sich-Entziehen“ aus dem Kreislauf seiner Umwelt. Wir wollen in keinem Fall mit unseren Mitstreitern auf der gleichen Stufe stehen oder mit ihnen in Verbindung gebracht werden. Die damit angestrebte vermeintliche Trennung ist jedoch nur eine Illusion. Feinstofflich betrachtet, stehen wir nämlich mit allem in Verbindungen und in einen ständigen Austausch mit den Elementen. Es ist eine Tatsache, dass wir alle die gleiche Luft atmen und das Wasser, das wir trinken, bereits mehrere Runden gedreht hat.
Es ist ein Naturgesetz, dass alles miteinander in Verbindung steht und ein ständiger Austausch zwischen den Elementen stattfindet: Tiere, Pflanzen, Steine und auch Dinge, die nicht in der freien Natur vorkommen, wie z.B. technische Einrichtungen, Maschinen und Fahrzeuge. Zu Letzterem haben die Menschen ein sehr emotionales Verhältnis aufgebaut. Und jeder weiß, dass sich Fahrzeuge gleicher Bauart bei Benutzung anders „anfühlen“ und jeweils andere Nutzer unterschiedlichen Zugang „erfahren“.
Ein „Sich-Öffnen“ für die jeweilige Umwelt und den damit verbundenen Elementen lässt uns mit allem in Verbindung sein. Diese Verbindung macht uns zu einem Teil des Ganzen. Dadurch befinden wir uns im Fluss des Lebens. Nur diese aktive Teilnahme am Leben macht es möglich, dieses mitzugestalten und Einfluss auf das Gesamte zu nehmen. Durch die Nichtakzeptanz dieser Verbindungen entsteht eine empfundene Trennung, wodurch die Gesetzmäßigkeiten von Ursache und Wirkung nicht mehr erfahrbar werden. Manifestiert sich diese empfundene Abgrenzung über längere Zeit, entsteht eine innere Härte, die uns in unserer Abgrenzung bestätigt und stärkt.
Härte erzeugt Isolation, Isolation wiederum ist der Auslöser für Härte.
Was bedeutet dies in Bezug auf Karate??
Auch Karate findet in diesem Kontext statt. Hier wird ebenfalls Abgrenzung und Trennung deutlich und erfahrbar.
Grundsätzlich dienen alle Ausführungen im Karate dem Zweck, sich selbst zu erfahren. Alle daran Beteiligten dienen als Resonanzkörper, der eine Reflektion meines Selbst ermöglicht. Es ist ein deutlicher Unterschied, eine Technik in Verbindung zu einem Menschen zu praktizieren, anstatt diese nur für sich alleine zu üben. Die Handlung steht dann in einem neuen Zusammenhang und wird völlig anders von dem Ausübenden erfahren. Nun lässt sich erkennen, wie sehr sich die auszuführende Technik seiner Umgebung anpasst oder welchen Einfluss sie erfährt. All unser Handeln steht immer und fortwährend in Verbindung mit unserer Umwelt. Es nimmt immer Einfluss auf das Gesamte und Verändert es somit. Dieses Wechselspiel wird uns zuteil, indem wir uns nicht von unserem Gegenüber abgrenzen, die ausgeführten Techniken nicht gegen ihn gerichtet sind und unser Handeln nicht geprägt wird von Nichtakzeptanz.
Im Karate bietet sich bereits im Grundsatz Raum zur Abgrenzung. Vor allem das im Karate tief verwurzelte Gürtelsystem und die damit verbundene Rangordnung lädt bereits zur Differenzierung ein. Ebenso ein vom sportlichen Ehrgeiz getriebenes „besser sein wollen“ verhindert tiefe Einsichten des eigenen Handelns. Aber auch das jeweilige Verständnis über die Handlung des Kampfes und die Angst davor erschweren das Auflösen der Abgrenzungen. Allen Grundformen wie Gohon Kumite, Kihon Ippon- und Jiyu Ippon Kumite haben zum Inhalt seine Handlungen (Angriff, Verteidigung) nicht gegen jemanden zu richten, sondern vielmehr diese in Verbindung mit seinem Gegenüber zu erfahren.
Hier werden die ersten Schritte ermöglicht, die Wechselwirkung unseres Handelns neu zu erleben.
Immer dann, wenn wir unser Handeln in Verbindung mit Wahrnehmung setzen, sind wir in Wechselwirkung mit unserer Umwelt.
Erst dann besteht der Zugang zur Ursache und Wirkung. Das Wahrnehmen des Gegenübers benötigt ein Auflösen aller Abgrenzungen.
Wege zur Abgrenzung
Es gibt nur einen Grund zur Abgrenzung: Angst.
Die reinste Form der Angst erschließt sich für uns nicht immer sofort. Sie tritt meist sehr versteckt in unser Leben.
Unsicherheit, Nichtverstehen, Selbstzweifel und mangelndes Vertrauen sind dabei die Vorboten. Um unter diesen Einflüssen mit der Umwelt umgehen zu können, sucht man Schutz und Sicherheit in der Abgrenzung.
Hart oder Stark??
Shotokan Karate impliziert hart zu sein.
Die Ausführung der Techniken erfährt eine bestimmte Direktheit und Geradlinigkeit. Dies wird allzu oft als hart und aggressiv verstanden. Auch die Trainingsinhalte fokussieren sich oft nur auf die dynamische Art der Ausführung. Die weichen Aspekte einer jeden Technik werden oft nicht erkannt, beachtet und gepflegt, sodass diese für den Übenden in keinem neuen Zusammenhang erlebt werden können. Weiche und fließende Ausführungen von Bewegungen erlauben es, diese leichter zu empfinden, sodass diese wiederum die Ausführung von dynamischen Techniken verändern. Entscheidend ist dabei zu erkennen, dass Härte nichts mit Kraft und Stärke zu tun hat.
Veröffentlicht: Sept.2007 / Toshiya
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