Stärke, Härte und Konsequenz


Es gibt viele interessante Themen die sich im und durch Karate ergeben.

Eines, das mich in letzter Zeit immer häufiger beschäftigt, ist die Bedeutung der drei Aspekte „Stärke, Härte und Konsequenz“.

Aus meiner Sicht ist die Thematisierung und Unterscheidung dieser Aspekte für Menschen, die sich im Karate üben, sehr hilfreich.

Die innere Hürde zum Angriff, die Angst vor dem Kampf und das Sträuben vor Auseinandersetzung machen eine Differenzierung dieser Inhalte notwendig, ohne diese bewerten zu wollen. Keines dieser Aspekte ist das „Bessere“, gemessen an den anderen. Jedes hat seine Berechtigung, Funktion und Aufgabe. Vielmehr geht es um ein Bewusstsein ihrer Wirkung und Zusammenhänge.

Bekanntlich erscheinen Gegenstände unterschiedlich, abhängig von dem Licht, in dem sie stehen.

Ich freue mich, einen Beitrag zu einem neuen Licht leisten zu dürfen.

 

Konsequenz ist ein rein handlungsbezogener Aspekt.

Das bedeutet, dass dieser ausschließlich in der Handlung Ausdruck erfährt.

Wie kommt es zur Handlung, was ist der erste Impuls, der zur Handlung führt?

Um den Zusammenhängen und dem Begriff der Konsequenz, wie ich ihn verstehe, etwas näher zu kommen, möchte ich zunächst auf die Handlung selbst eingehen.  

 

Der Weg zur Handlung:

Jeder Handlung geht als Grundimpuls ein Gedanke voraus. Diesem Gedanken folgt unmittelbar ein Gefühl, das entscheidend dafür ist, ob der Gedanke jemals umgesetzt wird. Als nächstes wird der Gedankenimpuls verbalisiert, um anschließend per Handlung realisiert zu werden. Die Phase der Verbalisierung lässt uns erste Vorerfahrungen mit der Reaktion der Umwelt machen, sodass wir den Mut zur Umsetzung fassen können. Die Erfahrungen und Prägungen aus der Vergangenheit haben dabei den größten Einfluss auf unsere Gefühls- und Realtitätswelt. Dieser recht komplexe Ablauf wird von unserem Verstand gesteuert und überwacht und ist ein Prozess, den es zu durchlaufen gilt.

 

„Jede Entscheidung hat ihre Zeit“.

 

Dies können wir in nahezu allen Lebenslagen wiederfinden. Schwierig wird das Durchlaufen des Prozesses, wenn der Zeitrahmen zur Entscheidungsfindung eingeschränkt und vorgegeben ist, sodass wir nicht die Möglichkeit haben, diesen reifen zu lassen. Das ist im Beruf, im Alltag und vor allem im Karate so. Hier fehlt die Zeit, dem Verstand zu ermöglichen, die jeweilige Situation abzuwägen, um anschließend zum besten Ergebnis zu gelangen. Darüber hinaus stellt sich die Frage: was ist das beste Ergebnis?

Dies ist aber der Streich, den uns unser Verstand und unser Ego1 ständig spielen. Beide möchten immer wissen, was das Beste für uns ist bzw. bei welcher Entscheidung wir den größten Zugewinn erfahren. Gleichzeitig ist der Verstand aber auch ein begrenzender Faktor, da er nur die Dinge zulassen und ermöglichen kann, die im Rahmen seiner Erfahrung und seinem Vorstellungsvermögen liegen.

 

1 beschreibt den Anteil der Rationalebene, der uns davon abhält, aus unseren gewohnten Bahnen auszubrechen und somit neue Erfahrungen zu sammeln.

 

 

 

Meisterschaft in der Handlung:

 

Ein wesendlicher Inhalt in den Kampfkünsten liegt in dem Weg zur Handlung. Es geht hierbei um die Entstehung und Herkunft des grundlegenden Handlungsimpulses sowie dem anschließenden Verlauf auf dem Weg zur Umsetzung. Ein wichtiger Teil der Entwicklung innerhalb der Kampfkünste besteht in der Wiederbelebung der Intuition².

 

² Intuitionismus der, philosophische Lehre, nach der bestimmte Erkenntnisse nur durch Intuition, nicht aber durch diskursives Denken erreichbar sind. (Quelle: Der Brockhaus)

 

Im Gegensatz zu unserem Verstand und der damit verbundenen Rationalebene, die unsere Gedanken steuert und erzeugt, urteilt unsere Wahrnehmung und die damit verbundene Empfindung nicht. Sie nimmt ausschließlich wahr, was und wie etwas ist.

Erst unser Verstand, der das Wahrgenommene, unsere Empfindung aufgreift, analysiert und verstehen will, urteilt über gut und schlecht. Darin fließt der größte Teil unserer Lebensenergie. Als Resultat dieser Analyse stellt sich ein Gefühl ein, das unser Verstand aus Erfahrung für angemessen hält; Angst, Unsicherheit, Trauer, Eifersucht.

 

Das bedeutet, dass unsere Gefühlswelt antrainiert und ein Resultat unserer Bewertung ist.  In unserer wertfreien Wahrnehmungs- und Empfindungsebene sind diese Gefühle nicht anzutreffen.

Unser Verstand greift in jeder Situation des Lebens auf unser Archiv der bereits gemachten Erfahrungen zurück. Er möchte wissen, zu welchem Ergebnis wir in diesem oder einem ähnlichen Fall bereits in der Vergangenheit gekommen sind um zu vergleichen, welche denn nun die „richtige“ Entscheidung und welches das angemessen Gefühl zu dieser Situation ist. Dadurch verzögert sich jede Handlung ungemein, da sich der Verstand erst einmal auf die Suche begibt und versucht ein Problem zu lösen. Das geht so weit, dass sich bei Lösungsfindung die Situation, auf die er „reagieren“ möchte, bereits verändert hat. Unser Verstand versucht auf eine Situation, die der Vergangenheit angehört, mit einer Erfahrung aus der Vergangenheit zu antworten. Eine Situation, die sicherlich bereits schon jeder einmal im Karate sowie im Alltag erleben durfte.

Ein weiterer Aspekt darf ebenfalls nicht unterschätzt werden, nämlich die Tatsache, dass unser Geist und unser darin eingebundenes Ego sehr darauf bedacht sind Recht zu haben, im Sinne von „ich habe mich doch beim letzten Mal nicht geirrt“. Aus diesem Grund neigen wir sehr stark dazu, bestimmte Erfahrungen immer wieder zu machen und zu bestimmten Themen des Lebens nicht zu einem neuen Ergebnis oder einer neuen Erfahrung zu kommen.

 

Um unsere Intuition wieder zu beleben, ist es unumgänglich dem Verstand einen neuen Stellenwert zu geben.  Verlieren wir buchstäblich „unseren Verstand“ und gelingt es, unser Bewertungs- und Meinungssystem auszuschalten, eröffnet sich die Möglichkeit zu völlig neuen Erfahrungen. Nur auf der Wahrnehmungsebene befinden wir uns im „Hier und Jetzt“. Dadurch erleben wir jede Situation völlig neu. Das Erleben der Intuition stellt die Welt des Verstands komplett auf den Kopf.

 

Solange wir über unseren Verstand die Welt rational beobachten, nehmen wir nicht wahr. Vielmehr sind wir ein urteilender Beobachter, der sich immer die Frage stellt, welchen Einfluss das Geschehen um ihn herum auf ihn haben wird, was dies für ihn und seine Existenz bedeutet und wie er darauf reagieren soll. Eine Wahrnehmung, die die Mühlen unseres Verstands durchlaufen hat, ist keine Wahrnehmung mehr. Sie ist nur noch Meinung über das vermeintlich Wahrgenommene. Um eins zu sein mit unserer Handlung, ist es unumgänglich, das Wahrgenommene nicht mehr durch den Filter unserer Meinung und Erwartung laufen zu lassen.

Dies hat einen entscheidenden Einfluss bei der Umsetzung und dem damit verbundenen Verlauf der Handlung.

 

Konsequenz:

Konsequenz ist die Fähigkeit, das Wahrgenommene ohne Bewertung anzunehmen und die Empfindung als Handlung fließen zu lassen. Ziel ist es dabei, Abstand von unserer Meinung über etwas zu nehmen und dadurch zu erkennen „wie es wirklich ist“.

 

Das bedeutet , dass man keine Meinung zu seinem Gegenüber und sich selbst hat und den Ergebnissen des Gedankenguts wie „zu groß“, „zu klein“, „stärker“, „schneller“ keinen Raum gibt. Es geht darum, die Dinge zu erkennen und anzunehmen, wie sie sind und nicht, wie wir sie erwarten oder haben möchten, weil auch dies das Ziel des Egos und des Verstandes ist. Das bedeutet aber auch, den Weg des Lebens anzunehmen. Zu akzeptieren, dass man die Umwege des Lebens geht um ans Ziel zu gelangen und dass diese Umwege gar keine sind. Sie sind nur von uns so benannt, weil wir der Meinung sind, dass die Dinge des Lebens auch hätten schneller gehen können.

Dieser Denkprozess findet aber immer statt, so lange wir uns auf der Verstandsebene befinden. Bereits gemachte Erfahrungen bremsen und hemmen uns in der Handlung. Sobald es gelingt, sich auf die Wahrnehmungsebene zu begeben und somit in die Neutralität zu gelangen, reißt dieser Gedankenstrom ab. Erst dann ist es möglich, konsequent und ohne Einschränkung in die Handlung zu gehen.

 

 

Hier zeigt sich nun der Zusammenhang von Stärke, Härte und Konsequenz. Stärke bildet die Grundlage zur Konsequenz. Durch sie gelingt es uns, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. Dadurch löst sich die Härte in uns Menschen und dies ist wiederum Grundlage zur Wahrnehmung.

Unsere Wahrnehmung lässt uns in Verbindung sein mit allem, was ist und uns dies erkennen.

 

 

 

 

Veröffentlicht: Dez. 2007 / Toshiya